Ich finde, dass die Integration eines solchen Testimonials eine spannende Brücke zwischen Authentizität und Markeninszenierung bildete. Meiner Ansicht nach vermochte Kaufland, dank dieser prominenten Besetzung, die Aufmerksamkeit sowohl innerhalb einer jüngeren, urban geprägten Zielgruppe als auch bei traditionelleren Konsumenten zu bündeln – zumal Sido bewusst mit Elementen von Bodenständigkeit und Urbanität spielte.

Die Bildsprache des Spots erschien im Kontext des Jahres 2022 erstaunlich dunkel, beinahe mystisch, und hob sich damit deutlich vom Mainstream ab. Ich bin der Meinung, dass diese inszenatorische Entscheidung dem Trend zu polierten, leuchtenden Werbewelten bewusst entgegenlief und die Inszenierung der Grillkultur fast cineastisch auflud. Die Komposition der Szene, etwa mit unscharf gehaltenen Hintergründen, gezielten Lichtakzenten und rauchigem Dampf, vermittelte ein intensives, fast haptisches Gefühl von Genuss und handwerklicher Zubereitung. Besonders das gezielte Herausarbeiten der Ergonomie von Fleisch und Feuer hätte für mich beinahe als Hommage an Klassiker der Food-Fotografie durchgehen können – ein Punkt, den ich, bei aller Kritik an der zur Schau gestellten Maskulinität, ausdrücklich hervorheben muss.

Die Zielgruppenansprache empfand ich als vielschichtiger als man auf den ersten Blick meinen könnte: Während durch das Testimonial Sido und die urbane Bildsprache vor allem grillaffine, jüngere (möglicherweise männliche) Konsumenten direkt adressiert wurden, wurde durch die Einladung zum Genuss und die Betonung von BBQ-Expertise auch familialere und kompetenzsuchende Zielgruppen angesprochen. Das hat meines Erachtens zwar durchaus für Aufmerksamkeit und Markensympathie gesorgt, könnte jedoch einerseits das Risiko bergen, jene Verbraucher, die Authentizität im Sinne von Regionalität und Nachhaltigkeit suchen, eher nicht zu erreichen. Gerade im Jahr 2022 – angesichts der damals stärker werdenden Nachhaltigkeitsdebatte in der Fleischbranche – halte ich das für eine markentaktische Gratwanderung.

Was die Werbebotschaft betrifft, denke ich, dass diese klar und plakativ transportiert wurde. Die Fokussierung auf das Premium-Segment („Premium BBQ Ribs, Beef Brisket, Pulled Pork“) wurde mit einer fast überschwänglichen Inszenierung des Produktportfolios kombiniert – unterstrichen durch die prominent platzierte, markeneigene Grillsoße. Die schriftliche Hervorhebung der Produktnamen fand ich prägnant und wirksam. Ich bin der Ansicht, dass die Botschaft letztlich auf Einfachheit und Genuss ausgelegt war – „Grill dich zum Star“, hätte beinahe als unausgesprochener Slogan fungieren können.

In puncto Kreativität und Originalität fällt mir auf, dass Kaufland im Vergleich zu den üblichen, oftmals standardisierten LEH-Spots mit dieser Inszenierung bewusst aus dem Rahmen gefallen ist. Die Verbindung von Star-Appeal, neckischer Outfits (der ikonische Fischerhut Sidos bleibt im Gedächtnis) und einer fast theatralischen Grillästhetik empfand ich als anregend und ungewöhnlich. Es fehlte aus meiner Perspektive jedoch ein narrativer Twist, der dem Ganzen noch eine unerwartete Wendung hätte geben können. Meiner Meinung nach lag hier ein kreativer Ansatz vor, der jedoch nicht sein volles Potential ausgeschöpft hat.

Blickt man auf die Geschichte der Marke Kaufland zurück, so war das Unternehmen traditionell weniger auf individuelle Produktwelten und Testimonials fokussiert. Ich finde, dass der Spot im Kontext der fortschreitenden Markenentwicklung – hin zu mehr Regionalität und qualitativen Eigenmarken – stilistisch fast schon disruptiv wirkte. Gleichzeitig blieb aber die für Kaufland typische Farb- und Formsprache (Rot, kräftige Typografie, klare Produktvisualisierung) erhalten, weshalb ich der Meinung bin, dass die Konsistenz zur Markenidentität gewahrt blieb und gleichzeitig eine moderne, fast popkulturelle Öffnung stattfand.

Als potentielle Schwäche müsste ich, retrospektiv betrachtet, das Fehlen einer klaren inhaltlichen Differenzierung zu anderen BBQ-Produkten und Grillkampagnen des Wettbewerbs erwähnen. Zwar punktete der Spot durch die prominente Besetzung und die starke, atmosphärische Ästhetik – jedoch blieben, meiner Ansicht nach, kommunikative Überraschungsmomente oder ein wirklich nachhaltiger USP aus. Die kulinarisch-emotionale Ansprache geriet etwas zu generisch und übersah die Möglichkeit, etwa Themen wie Herkunft, Nachhaltigkeit oder innovative Rezepturen pointierter auszuspielen. Gerade im Rückblick, mit Blick auf die weiteren Entwicklungen im Premium-Food-Segment seit 2022, erscheint mir das als ungenutzte Chance.

Zusammenfassend halte ich den “Sido’s Beste”-Spot von August 2022 für einen mutigen und, im Kontext damaliger Supermarktwerbung, durchaus progressiven Ansatz. Ich denke, durch die ungewöhnliche Gestaltung und die prominente Besetzung gelang es, Aufmerksamkeit zu schaffen und Kauflands Positionierung im Bereich qualitativer Grillprodukte nachhaltig zu stärken – wenngleich ich die fehlende kommunikative Tiefe und den Verzicht auf inhaltliche Differenzierung kritisch sehe. Aus heutiger Sicht wäre für mich gerade eine narrative Dimension, die über das bloße Feiern von BBQ-Popkultur hinausging, sinnvoll und notwendig gewesen.

Autor: Ralf Zmölnig