Unter Berücksichtigung des Erscheinungsjahres 2022 muss ich festhalten, dass der Spot einer sichtbaren ästhetischen Modernisierung unterzogen wurde. Ich finde, insbesondere das in Szene gesetzte Setting rund um das farbenfroh wirkende Badezimmer, die sich darin spiegelnde Individualität des Protagonisten mit Brille und offenem, bunt gemustertem Hemd, transportierte meiner Meinung nach einen bewussten Bruch mit dem einstigen Stereotyp des coolen, leicht überheblichen Mannes. In puncto Zielgruppenansprache wurde damals eindeutig eine jüngere, urbane Generation adressiert, die Diversität und Eigenständigkeit höher gewichtet als ein eindimensionales Männlichkeitsbild – eine soziale Entwicklung, auf die Axe spätestens ab 2020 reagiert hatte. Das Setting mit ironisch-verspielten Details (Sonnenblumen mit Sonnenbrille als sympathische Nebenfiguren, Farbakzente, Schmetterlinge) ließ auf eine Distanzierung von althergebrachten Werbemustern schließen. Ich denke, dieser Transformationswille verdient grundsätzlich Respekt und beweist, dass selbst eine seit Jahrzehnten polarisierende Marke bereit war, auf die gesellschaftlichen Verschiebungen jener Zeit zu reagieren.

Wenn ich die Werbebotschaft analysiere, so fand ich sie 2022 angenehm klar und direkt: Die visuelle Fokussierung auf das grün-schwarze, farbintensiv designte Produkt – mittig platziert, mit hervorgehobenen Leistungsversprechen wie “48 HRS NON STOP FRESH” – stand ganz im Dienste der Duftversprechen und Leistungsdimension, wurde allerdings über den Claim “Unwiderstehlich. Wie AXE-Effekt.” gewohnt plakativ zugespitzt. Meiner Meinung nach setzte Axe damit einerseits auf die Kraft der Wiedererkennung, andererseits traute sich der Spot, das Versprechen weniger über Sex-Appeal auszudrücken, sondern vielmehr über den Charme und die Coolness einer unaufgeregten, authentisch wirkenden Hauptfigur. Bei aller Modernisierung der Bildsprache hielt man 2022 daran fest, den “Axe Effect” als Markenkern dennoch erkennbar mitzutransportieren – eine kluge Konsistenz, um langjährige Kunden nicht zu verlieren.

Was die Kreativität und Originalität betraf, bin ich der Ansicht, dass die Inszenierung der Szenerie und die Wahl der visuell auffälligen Elemente – etwa Sonnenblumen, die mit Sonnenbrillen und Gesichtern ausgestattet waren, farbintensive Requisiten im Raum, eine überraschend unheroische, lebensnahe Alltagsumgebung – eine willkommene Abwechslung boten. Die Sprache der Szenerie und das dezente Überzeichnen einzelner Details (zum Beispiel die gelbe Zahnbürste auf dem Waschbecken, das Spiel mit Farben und Mustern in Kleidung und Raumgestaltung) weckten Assoziationen an Social-Media-Ästhetik der Zwanzigerjahre. Ich bin der Überzeugung, dass Axe 2022 auf diesem Wege das Produkt so inszenierte, dass es zu viralen Reaktionen bei einer jungen Zielgruppe führen konnte.

Gleichwohl möchte ich kritisch anmerken, dass ich im Spot eine gewisse Oberflächlichkeit hinsichtlich der inhaltlichen Tiefe gespürt habe. Der Fokus lag stark auf Optik und kurzer, prägnanter Botschaft; komplexere narrative oder gesellschaftlich relevant aufgeladene Elemente wurden zugunsten schneller Konsumierbarkeit geopfert. Gerade im Rückblick aus 2025 bin ich der Meinung, dass Werbekommunikation, die allein auf kurzfristige, visuelle Reize setzt, vergleichsweise schnell altert und ihren narrativen Wert einbüßt. Zwar zeigte sich hier ein sehr stimmiges Zusammenspiel der Elemente, doch fehlte es mir an einer cleveren, fast spielerischen Wendung oder an einem wirklich überraschenden konzeptionellen Dreh, wie ich es in anspruchsvollen TVC-Projekten immer geschätzt habe. Auch hätte ich mir mehr Mut zur emotionalen Tiefe oder einer subtilen Gesellschaftskritik gewünscht, wie sie andere Marken in dieser Zeit gelegentlich wagten.

Als Resümee lässt sich sagen: Der Spot von Axe im Juni 2022 repräsentierte einen kreativen, zeitgeistigen, auf Diversität und Individualität ausgelegten Kommunikationsansatz, ohne sich völlig von der eigenen DNA abzukehren. Meiner Ansicht nach handelte es sich um ein professionell inszeniertes, optisch klar strukturiertes Werbestück, das jedoch, wenn man die strategischen Möglichkeiten bedenkt, in puncto Tiefe und überraschender Originalität hätte mehr wagen können.