Was ich allerdings sofort bemerke: Die Spotsprache bleibt im klassischen „Problem-Solution“-Modus. „Besorgt über Anzeichen von Hautalterung und dunkle Flecken?“ – schon hier spüre ich die dramaturgische Simplizität, die mir persönlich ein wenig zu kurz greift. Ich schätze kreative, manchmal auch ironische Kommunikationsansätze, die subtiler und raffinierter an mein kritisches Denken appellieren. Davon fehlt in diesem Spot meiner Meinung nach jede Spur. Stattdessen setzt man auf die immer gleiche Mechanik der Angst- und Versprechenskommunikation.

Die visuelle Überleitung zum Produkt mit NEU-Label und gold-rotem Akzent wirkt erwartungsgemäß hochwertig, aber nicht originell. Das „Patentiertes Thiamidol + Kollagen-Booster“ könnte aus jedem Labor-Fake aus dem Werbebaukasten stammen – ich persönlich finde diese technisch-anmutenden Produkt-Insights zwar nett inszeniert, aber fachlich betrachtet letztlich zu behauptungsstark und wenig belegbar. Gerade die Sequenz mit den hexagonalen Strukturen und „Wirkt auf zellulärer Ebene“ erinnert mich an aufwendig gestaltete, aber inhaltsfreie Science-Fiction-Botschaften: Viel Look, wenig Substanz.

Die nächste Szene suggeriert eine fast magische Produktwirkung: „Reduziert über 10 Jahre entstandene Altersflecken“, gefolgt von „Füllt tiefe Falten auf & festigt die Haut“. Mir fällt hier – bei aller Wertschätzung für die selbstbewusste Werbeattitüde – auf, dass NIVEA sich sehr weit aus dem Fenster lehnt. Die Botschaften sind für meinen Geschmack zu vollmundig. Wer 10 Jahre Altersflecken optisch in kurzer Zeit ausradieren kann, sollte meiner Ansicht nach zumindest in einem TV-Spot eine Referenz auf eine solide Studie liefern, oder zumindest ein visuelles Indiz für Evidenz nachreichen. Stattdessen wird – und ich mutmaße mal, ganz gezielt – voll auf die Kraft der Marke gesetzt.

Ich habe häufig den Verdacht, dass Marken wie Nivea darauf bauen, dass das eigene Renommee jede noch so große Werbeversprechung trägt, ohne dass diese untermauert werden muss. Genau diese Glaubwürdigkeit, die über die Marke hinausgeht, vermisse ich in diesem Spot sehr deutlich. Meine Erwartung als kritischer und erfahrener Zuschauer wäre es, zumindest einen winzigen Querverweis auf unabhängige Tests, Anwenderstudien oder eine kurze Fußnote im Abspann zu erhalten. Das bleibt aus – und wir als Konsumenten dürfen dann wohl unterstellen: „Es funktioniert!“ – weil NIVEA es sagt.

Summa summarum empfinde ich die Zielgruppenansprache als glasklar: Frauen ab etwa Mitte 30, die sich in ihrem Wunsch nach ewiger Jugend abgeholt fühlen wollen. Aufs Kreative bezogen – für mich: solide, aber vollkommen Mainstream. Die visuelle Umsetzung ist chic und hochwertig, aber alles andere als mutig oder disruptiv. Und die Markenbotschaft? Konsequent, jedoch nicht mutig genug, die Latte der kritischen Wahrnehmung zu überspringen. Nivea liefert hier einen Spot, der mich mit seiner Souveränität fast ein bisschen zum Schmunzeln bringt, weil er sich mehr auf das angestammte Markenvertrauen als auf echte inhaltliche Substanz verlässt.

Wie siehst Du das? Bist du mit solchen vollmundigen Versprechen zufrieden, wenn sie nur von einer Traditionsmarke ausgesprochen werden? Oder fehlt dir – wie mir – die inhaltliche Bodenhaftung in der Werbekommunikation? Lass uns gerne fachlich oder subjektiv ins Gespräch kommen.

Autor: Ralf Zmölnig