Ich finde, aus Expertenperspektive besaß dieses Kampagnenstück einige interessante Ansätze, die aber nicht in allen Dimensionen ihr volles Potenzial abgerufen haben. Zum einen war die Wahl von Lena Gercke als prominentes Testimonial mit eigener Kollektion für About You naheliegend und schlüssig. Ihre Popularität, modische Expertise und Reichweite in der relevanten Zielgruppe der modebewussten, urbanen Frauen im jungen Erwachsenenalter passte hervorragend zu About Yous Zielpositionierung. Gleichzeitig lag darin auch eine gewisse Werbe-Redundanz – ich denke, dass gerade diese Form der Personal-Brand-Kollaboration im Jahr 2022 bereits einen gewissen Sättigungsgrad erreicht hatte, was die kommunikative Herausforderung erhöhte, aus dem Gewohnten herauszustechen.

Was die kreative Umsetzung betrifft, hat mich vor allem die Szenerie in der Wüste angesprochen, da sie sich deutlich von den sonst vielfach gängigen urbanen Lifestyle-Bildern im Fashion-Bereich abhob. Diese unerwartete Kulisse stellte für mich eine explizite Abkehr vom typischen Großstadt-Setting dar und sorgte zumindest visuell für einen Frischeeffekt, der im Jahr 2022 durchaus begrüßenswert war. Ich bin der Meinung, dass die Verbindung von Mode-Inszenierung mit Elementen aus Roadmovie und Western-Assoziationen hier klug gewählt wurde, vor allem auch durch die starke Lichtstimmung, die staubigen Landstraßen und die dynamischen Fahrszenen mit Quads und Auto. Das transportierte ein leichtfüßiges, aber selbstbewusstes Freiheitsgefühl – eine passende Übersetzung für das LeGer-Markenversprechen.

Allerdings empfand ich die eigentliche, anregende Differenzierung in der narrativen Ausgestaltung als ausbaufähig. Anders als bei anderen About You Spots, denen häufig eine klarere emotionale Storyline oder eine überraschende, irritierende Wendung innewohnte, blieb hier vieles an der Oberfläche: Es wurde Styling und Freiheit suggeriert, aber aus meiner Sicht nicht konsequent in ein inhaltlich ungewöhnliches Narrativ überführt. Für meine Begriffe fehlte ein markanter Twist oder ein differenzierendes Stilmittel, das mehr als nur eine Ästhetik evoziert hätte. Gerade angesichts meines Anspruchs an anregende, innovative Kommunikationsansätze hätte ich einen stärkeren Bruch mit Konventionen oder einen mutigeren erzählerischen Zugang erwartet.

Sehr gelungen fand ich hingegen die visuelle Markeninszenierung. Die Kollektion und About You als Plattform wurden wiederholt prominent – aber subtil – eingebettet: Über Texteinblendungen im Bild und die abschließende App-Präsentation gelang die medienadäquate Verknüpfung von klassischer TV-Ästhetik und digital orientierter Brand Experience. Ich bin der Meinung, dass hier die Konsistenz der Markenbotschaft, insbesondere das Versprechen von Exklusivität und unkompliziertem Shopping, sauber umgesetzt wurde.

Der Einsatz von Farbigkeit – allen voran das leuchtende Pink der Outfits – fungierte nicht nur als ästhetisches Stilmittel, sondern auch als starker visueller Code für Weiblichkeit und Leichtigkeit, die die LeGer-Neupositionierung im Frühjahr 2022 unterstrich. Diese bewusste Farbwahl bildete einen pointierten Kontrast zur ansonsten erdigen Szenerie und sorgte so für einen spezifischen Wiedererkennungswert.

Meiner Ansicht nach manifestierte sich jedoch eine gewisse Schwachstelle in der Tiefe der Story: Die Protagonistin blieb weitgehend eine Projektionsfläche, echte Charakterdarstellung oder weiterführende narrative Ambivalenz suchte man vergebens. Ebenso wurde die Zielgruppe – mutmaßlich stilorientierte, experimentierfreudige Millennial- und Gen-Z-Frauen – zwar auf visueller Ebene adressiert, ohne jedoch mit einer unerwarteten, inspirierenden Handlung oder Perspektivverschiebung nachhaltig gefordert zu werden.

Rückblickend betrachtet würde ich sagen, der Spot hat in seiner Zeit solide Markenarbeit geleistet, die strategisch sinnvoll auf die About You-Linie der Promi-Kollaborationen eingezahlt hat. Aus heutiger Sicht, vor dem Hintergrund eines weiter gewachsenen Anspruchs an kreative Narrative und Individualität in der Modekommunikation, erscheint mir der Auftritt jedoch als weitgehend ästhetisches Schaulaufen, das zwar durch starke Bildsprache, aber weniger durch inhaltliche Innovationskraft in Erinnerung geblieben ist.

Ich halte deshalb fest, dass dieser Spot 2022 seiner Funktion als aufmerksamkeitsstarke Kampagnenverlängerung durchaus gerecht wurde, aber – gemessen an meinem Anspruch und meinem Background – kreatives und kommunikatives Neuland allenfalls punktuell betreten hat.

Autor: Ralf Zmölnig