Zunächst hat die Zusammenarbeit mit Joko Winterscheidt aus meiner Sicht sowohl kommunikatives als auch strategisches Geschick offenbart. About You hatte es bereits in den Jahren zuvor verstanden, junge Zielgruppen durch prominente Testimonials zu adressieren und hier mit Joko eine prägnante Persönlichkeit mit popkulturellem Relevanzpotenzial eingebunden. Meiner Meinung nach zeigte diese Wahl ein feines Gespür für die Ansprache einer urbanen, modisch interessierten und digitalaffinen Generation, die sich stark mit individualisierten Statements und augenzwinkerndem Understatement identifizierte. Gerade in Zeiten, in denen Influencer-Marketing bzw. Celebrity-Endorsements inflationär eingesetzt wurden, empfand ich es als clever, diesen Ansatz mit einer kohärenten, visuell klaren Bildsprache zu verbinden.

Was mich besonders angesprochen hat, war das konsequent minimalistische, fast schon klinisch weiße Set-Design, das Raum für die tatsächlich beworbene Produktkategorie ließ. Die Entscheidung für einen weißen Hintergrund gepaart mit ausdrucksstarken, bunten Socken und kontrastreichen Outfits empfand ich als wirkungsvolle Reduktion aufs Wesentliche. Ich bin der Überzeugung, dass genau diese visuelle Zurückhaltung die Individualität der Modelle und insbesondere der Socken in den Mittelpunkt rückte – und dabei gleichzeitig ein Trendbewusstsein transportierte. Meiner Meinung nach lag darin auch eine Hinterfragung klassischer Werbeästhetik: Die Szenerien wirkten bewusst unperfekt und erzeugten eine assoziative Nähe zu zeitgenössischer Editorial-Fotografie.

Der musikalische Leitfaden, der „Cheerio Song“, fiel mir direkt als markantes, fast schon skurriles Audiosignet auf. Ich finde, dass dieser in seiner Verspieltheit einerseits polarisierte, andererseits aber auch einen hohen Wiedererkennungswert erzeugte. Insbesondere die Entscheidung, mit einer augenzwinkernd überdrehten Einfachheit sowohl Songtext als auch Melodie zu präsentieren, ließ den Spot bewusst gegen klassische Werbefilmdramaturgien anschwingen. Hier empfand ich durchaus eine willkommene Prise Ironie und Selbstreflexion, die im Modebereich zu jener Zeit durchaus als frischer Akzent gewertet werden konnte.

Die Integration diverser Protagonisten, darunter auch Menschen mit sichtbaren körperlichen Hilfsmitteln wie eine Beinorthese oder einer älteren Dame als Stilelement, habe ich persönlich als sehr positives Signal für ein inklusives und modernes Markenverständnis wahrgenommen. In meinen Augen spiegelte sich darin eine Haltung wider, die Diversität nicht inszeniert, sondern selbstverständlich werden ließ. Mir fiel auf, dass About You sich hier weiter von dem klassischen, schablonenhaften Influencer-Bild verabschiedete, das die Plattform in den ersten Jahren geprägt hatte. Damit wurden im Jahr 2022 gesellschaftlich relevante Themen wie „Body Positivity“ und Individualität nicht plump propagiert, sondern subtil, aber erkennbar, in die Bildsprache eingewoben.

Die markante Positionierung von „CHEERIO* jetzt auf aboutyou.de“ in den jeweiligen Szenen, fast als Running Gag auftauchend, wirkte auf mich wie ein ironischer Bruch mit der Ernsthaftigkeit klassischer Sales-Claims. Meiner Ansicht nach brach der Spot mit der Illusion, Werbung sei etwas anderes als ein Kaufaufruf – allerdings auf charmante und selbstironische Art. Das passte auch gut zu Joko Winterscheidt als Protagonisten, der mit seiner Attitüde immer schon zwischen Entertainment und Subversion changierte.

Die Preis-Kommunikation für die Socken als explizites Element löste bei mir dennoch ambivalente Gefühle aus. Einerseits schätzte ich die Transparenz, da damit die Conversion-Orientierung offen gelegt wurde. Gleichzeitig empfand ich die Preisinszenierung im Kontext der locker inszenierten Bildwelt einen Hauch zu direkt – für mich hätte eine subtilere Integration noch besser zur visuell spielerischen Linie gepasst.

Rückblickend muss ich betonen, dass der Spot in puncto Kreativität und Originalität seinesgleichen suchte. Im Jahr 2022, in dem die deutsche Werbelandschaft zum Teil noch in altbackenen Inszenierungen aus Demobesetzung und Raschelsoundkauderwelsch verharrte, stellte diese Kampagne einen wohltuend befreiten Gegenentwurf dar: frisch, bunt, überraschend und selbstironisch. Ich bin der Meinung, About You hat hier nicht nur die Marke, sondern das gesamte Segment der Fashion-Plattformen mit neuen Standards herausgefordert.

Zusammenfassend überwiegt bei mir klar die Wertschätzung für den Mut zur Originalität und die bewusste Abkehr von klassischen Werbe-Mechanismen. About You hat sich zu diesem Zeitpunkt noch stärker von den traditionellen E-Commerce-Inszenierungen distanziert und neue, ungewöhnliche Wege gesucht – etwas, das ich im deutschen Werbemarkt lange vermisst habe. Schwächen sah ich höchstens in einer leichten Überinszenierung der Ironie und einer marginalen Überladung der Preisbotschaft, die allerdings das Gesamterlebnis nur geringfügig beeinträchtigten.

Autor: Ralf Zmölnig