Die Integration des prominenten Testimonials empfand ich als effektiven Zug – Lena Meyer-Landrut war zu dieser Zeit eine glaubwürdige und viel diskutierte Persönlichkeit, deren Authentizität meiner Ansicht nach auf die Marke einzahlen konnte. Die Bildsprache schien explizit darauf ausgelegt gewesen zu sein, individuelles und modisches Selbstbewusstsein zu transportieren, was ich als sinnvoll erachtete, bedenkt man die anhaltende Ausdifferenzierung junger Digitalzielgruppen in den frühen 2020er Jahren.

Hinsichtlich der Werbebotschaft finde ich, dass der Spot recht eindeutige Call-to-Actions transportiert hatte – insbesondere die Exklusivität der Kollektion und die Betonung des kostenlosen Versands und Rückversands. Ich konnte diesen Fokus auf Convenience nachvollziehen, auch wenn ich aus meiner Sicht damals kritisch hinterfragt habe, inwiefern dies der Zunahme an Nachhaltigkeitsdiskussionen im E-Commerce Segment wirklich gerecht wurde. Die Botschaft „a lot less“ ließ meiner Meinung nach genügend Interpretationsspielraum und wurde recht subtil inszeniert – ein Ansatz, der durchaus das Potenzial hatte, Neugierde innerhalb der Zielgruppe zu wecken, jedoch nach meinem Empfinden wenig überraschende Impulse setzte.

Was die Kreativität und Originalität betrifft, war ich in meiner Bewertung im Jahr 2022 durchaus zwiegespalten. Einerseits gefiel es mir grundsätzlich, dass die Ästhetik und visuelle Umsetzung mit natürlichen Elementen – der Strand, das Meer, der Einsatz von Licht und Stoffen – auf ein künstlerisch anspruchsvolleres Niveau gehoben wurden und sich von klassischen, rein produktorientierten Spots abzusetzen versuchten. Insbesondere die ruhige, fast entrückte Bildsprache erschien damals relativ unaufgeregt und stilvoll. Dennoch, so denke ich, hätte man mutigere stilistische Brüche oder narrativ ungewöhnlichere Wendungen einsetzen können, um die Kommunikation noch markanter abzuheben. Für meinen Geschmack blieben die Szenen zu sehr im Erwartbaren, sodass der Spot zwar ästhetisch ansprechend, aber insgesamt wenig überraschend wirkte.

Die visuellen Elemente griffen die puristische Linienführung der Kollektion auf; die subtilen Farbakzente durch das rote Stoffelement und die wiederkehrenden Motive wie Meer und Felsen schienen konsistent auf die Werte der Marke einzahlen zu wollen. Die Bildwelten transportierten das Gefühl von Freiheit und Natürlichkeit – ich glaube, das passte in den Zeitgeist von 2022, der nach den Pandemiejahren einen starken Fokus auf Authentizität und Nahbarkeit legte. Die Verwendung des Smartphones am Ende des Spots empfand ich als cleveren Brückenschlag zur digitalen DNA von About You; diese bewusste Integration spiegelte meiner Meinung nach das Selbstverständnis der Marke wider, als Plattform für einen schnellen, unkomplizierten Einkaufsprozess zu stehen.

Bezüglich der Konsistenz der Markenbotschaft bin ich überzeugt, dass About You mit diesem Spot ihre Strategie, Fashion-Individualität durch prominente Persönlichkeiten erlebbar zu machen, konsequent weiterverfolgt hatte – diese Fortsetzung der bekannten Co-Creation-Formate entsprach exakt den Erwartungen, die die Marke seit 2018 mit diversen Testimonial-Kollektionen aufgebaut hatte. Die Bild- und Formsprache harmonierte mit dem modernen, digitalen Anspruch, den About You seit dem Markteintritt in der Werbebranche immer wieder proklamierte. Aus Marketingsicht fand ich die Markeninszenierung solide, wenngleich sie meiner Meinung nach lediglich Evolution statt echter Transformation bot.

Potentielle Schwachstellen sah ich damals zum einen in der fehlenden narrativen Tiefe. Ich bin der Ansicht, dass die Bildabfolge zwar optisch überzeugte, jedoch keine emotionale Geschichte erzählte, die wirklich lange im Gedächtnis blieb. Auch erschien es mir, als sei die Verbindung zwischen der Person Lena Meyer-Landrut und dem Mode-Produkt nicht intensiv genug herausgearbeitet – kleinere, inszenatorische Details hätten hier zu mehr Persönlichkeit und Wiedererkennung führen können. Gerade im zunehmend gesättigten Modemarkt, so meine ich, benötigen Marken mutige, eigenständige Kommunikationsimpulse abseits von reiner Ästhetik, um nachhaltig im Gedächtnis zu bleiben.

Abschließend bin ich der Meinung, dass der Spot im Frühjahr 2022 in handwerklicher und markentechnischer Hinsicht durchaus gelungen war und die Strategie von About You widerspiegelte. Angesichts meiner persönlichen Präferenz für aufzurüttelnde, überraschende und kommunikativ anspruchsvolle Werbung hätte ich mir jedoch einen weniger vorhersehbaren, experimentelleren Zugang gewünscht, der der Mode und der Marke noch mehr Authentizität und Profil verliehen hätte.

Autor: Ralf Zmölnig