Gerade die detailverliebte Ausstattung – von gefüllten Bücherregalen bis hin zu subtilen Lichtspielen und Dekors – verstärkt diesen Eindruck und lässt aus meiner Warte definitiv auf eine sehr definierte, gebildete Zielgruppe schließen.

Der Übergang von der klaren Bücherwelt zur surreal anmutenden Darstellung – etwa durch die halb durchscheinenden Ebenen der Protagonistin – wirkt für mich wie ein schöner Kontrapunkt zur geordneten Kulisse. Ich deute das als optische Metapher für die Anspruchshaltung der Werbebotschaft: Ein Duft, der Frauen dazu ermächtigt, Vielschichtigkeit zu leben und ihren Widersprüchen selbstbewusst zu begegnen. Wohl nicht zuletzt, weil ebenjene Überlagerungen ein erstaunlich intelligentes Spiel mit Identität aufrufen, ohne dabei ins Plakative oder Banale abzudriften. Aus fachlicher Sicht finde ich diesen künstlerischen Sprung ausgesprochen gelungen. Solches visuelles Storytelling trifft, meiner Meinung nach, präzise den Nerv einer Zielgruppe, die visuelle Reize ebenso schätzt wie intellektuelle Kniffe.

Nicht weniger bemerkenswert ist für mich die Szene im Marmorbad: Die Protagonistin, erneut stilvoll, diesmal aber mit einer feinen Aura von Verletzlichkeit, verweilt nachdenklich auf dem Badewannenrand. Die Spiegelung einer zweiten, leicht verschwommenen Figur verleiht der Inszenierung eine angenehm ambivalente Tiefe. Hierbei habe ich fast schon das Gefühl, Regie und Kamera hätten sich bewusst für ein Wechselspiel entschieden, das Introspektion und äußeren Schein stilvoll miteinander verwebt. Gerade dieses subtile Changieren zwischen Selbstbehauptung und Nachdenklichkeit lässt mich als Zuschauerin*Zuschauer auch nach dem Spot nicht so schnell los.

Unter Gesichtspunkten der Kreativität empfinde ich die Wahl, eine neue Adjektivschöpfung („miutin“) ins Zentrum zu stellen, als cleveren Schachzug. Ich finde, das verleiht dem Duft bereits im Claim eine eigene Sprache, die neugierig macht und nicht einfach jeder 08/15-Kommunikation hinterherläuft. Dass die Bedeutung von „miutin“ mit Attributen wie Unbeugsamkeit oder Eleganz unterfüttert wird, erscheint mir darüber hinaus nicht nur stilistisch, sondern auch inhaltlich pointiert. Hier wird keine sture Heldin oder exaltiert inszenierte Rebellin gefeiert, sondern vielmehr die leise, aber kraftvolle Vielschichtigkeit. Aus meiner Perspektive ein durchaus subtiles, aber umso pointierteres Statement, das jedoch auch eine gewisse Vorbildung und Aufmerksamkeit verlangt.

Visuell bleibt mir vor allem auch das Schlussbild der Flasche im Gedächtnis: Wer hier auf Überinszenierung oder lautes Product Placement hofft, wird angenehm enttäuscht. Die Ästhetik bleibt durchgehend minimalistisch und stilbewusst, was in meinen Augen sehr gut mit der exklusiven Wahrnehmung der Marke harmoniert. Dazu wird die Definition von „miutine“ im Hintergrund als intellektuelles Augenzwinkern eingeblendet – so subtil, dass ich beinahe die Werbetafel vergesse und stattdessen über den Begriff nachdenken muss. Aus meiner Sicht ist das durchaus als Einladung zur Auseinandersetzung mit dem Duft und seiner Idee zu verstehen, weniger als plumpe Kaufoffensive.

Die Konsistenz der Markenbotschaft wird hier fast lehrbuchhaft durchgezogen: Von der Auswahl der Darstellerin über Setting, Farbwahl und musikalische Untermalung bis zur typografischen Inszenierung spricht alles die unverwechselbare Markenidentität von Miu Miu. Ich schätze vor allem, dass der Spot seine Zielgruppe auf Augenhöhe adressiert, und nicht dem mittlerweile typischen Werbepathos für moderne Frauen folgt, sondern eine subtile Emanzipation propagiert. Wer hier simple Erfolgsrezepte und plakative Empowerment-Klischees sucht, wird bewusst außen vor gelassen.

Natürlich, der künstlerische Ansatz birgt immer die Gefahr, eine breitere Zielgruppe zu überfordern oder zumindest zu irritieren – da könnte ich mir vorstellen, dass so mancher TV-Zuschauer ratlos zurückbleibt. Dennoch, meiner Ansicht nach, lohnt sich dieser Ansatz für eine Duftmarke wie Miu Miu, die eben nicht Everybody’s Darling sein möchte, sondern Persönlichkeit und Eigensinn zelebriert.

Mich reizt jetzt, wie dieser Spot von anderen rezipiert wird: Wie wirkt die Symbiose aus Intellekt, Ambivalenz und Ästhetik auf dich? Fühlst du dich angesprochen – oder bleibt der Spot für dich reine Inszenierung ohne emotionalen Nachhall? Diskutiere gerne, ob solche leisen, anspruchsvollen Werbeansätze noch relevant sind oder eher ins Reich der Selbstinszenierung gehören!