Mir gefällt insbesondere, wie die Materialität des Mascara-Stifts optisch inszeniert wird, denn das schürt eine gewisse Begehrlichkeit, ohne dabei aufdringlich zu werden.

Mit der explizit genannten „überkreuzten Bürste“ als technische Innovation signalisiert man dem Zuschauer, hier gäbe es tatsächlich ein Produktmerkmal, das über das übliche Marketing-Blabla anderer Mascaras hinausgeht. Ich denke, der Spot umschifft damit geschickt das Klischee der austauschbaren Beauty-Produkte und setzt eher auf ein Argument, das auch bei kritischer Nachfrage zumindest technisch zu überzeugen versucht. Die direkte Ansprache, wie etwa „egal wie viele Schichten“ und „ohne zu verklumpen“, adressiert meiner Ansicht nach tatsächlich ein Alltagsproblem vieler Mascara-Nutzerinnen und Nutzer und wird dadurch relevant.

Was die Werbebotschaft angeht, bleibt L'Oréal natürlich ihrer klassischen Linie treu. „Du bist es dir wert“ mag langsam den Charme des Evergreen-Slogans verlieren, aber eingebettet in die edle, fast schon cineastische Bildsprache vermittelt er zumindest Solidität und markentypische Selbstermächtigung. Hier behauptet L'Oréal wie gewohnt, Schönheit sei eine Frage der eigenen Haltung – und das finde ich grundsätzlich nachvollziehbar.

Aus kreativer Sicht hätte ich mir ein wenig mehr Augenzwinkern oder zumindest eine spielerische Wendung gewünscht. Die Spotgestaltung verläuft auf sicheren Bahnen: Close-Ups auf die Wimpern, die berühmte Spiegel-Szene, die Fingerspitzen mit dunklem Nagellack, die entfernt wirkende Pariser Kulisse – alles recht vorhersehbar, wenn auch makellos umgesetzt. Ein wenig Mühe für eine außergewöhnliche narrative Pointe hätte meiner Ansicht nach aber nicht geschadet, zumal intelligente Werbung für ein Massenprodukt immer noch ein unterschätztes Statement ist.

Was die visuellen Elemente betrifft, glänzt der Spot durch seine stimmige Farbregie: Der Wechsel zwischen Rosa, Schwarz, Türkis und Gold schafft eine angenehme, gleichzeitig hochwertige Atmosphäre. Besonders die Integration der Produktfarben in den Hintergrund und in die Accessoires der Darstellerin wirkt konsistent und spricht die ästhetisch anspruchsvolle Klientel an. Hier merkt man, dass die Marke sich ihrer visuellen Identität sehr bewusst ist.

Meiner Meinung nach bleibt der Spot jedoch insgesamt etwas zu brav. Man spielt auf der sicheren Seite, spricht aber dafür sehr klar die Bedürfnisse einer urbanen, stilbewussten Konsumentin an, muss sich aber gefallen lassen, dass die Markenbotschaft dadurch beinahe zu glatt gerät – echte Ecken und Kanten, die zum Nachdenken oder gar zum Schmunzeln anregen, fehlen gänzlich. Ich frage mich schon ein wenig, warum man sich nicht traut, mehr Ironie, Selbstironie oder zumindest ein bisschen erzählerische Finesse einzustreuen.

Insgesamt denke ich, dass der Spot solide und souverän das macht, wofür L'Oréal Paris bekannt ist: Emphatische, elegante und technisch versierte Produktpräsentation auf internationalem Niveau. Wer jedoch auf eine originelle, überraschende oder intellektuell anregende Werbeerfahrung hofft, dürfte hier enttäuscht werden.

Wie siehst du das: Kann hochwertige Kosmetikwerbung tatsächlich mehr als nur Hochglanz und Empowerment-Versprechen, oder erwartest du bei Spots für Massenprodukte im Beautybereich ohnehin nur makellose Perfektion? Lass uns das aus kreativer und kommunikativer Sicht gern diskutieren!

Autor: Ralf Zmölnig