Visuell lässt sich so der Paradox-Charakter ziemlich klar ablesen, was ich ehrlich gesagt für gelungen halte.

Aus meiner Sicht nimmt sich der Spot angenehm ernst, ohne übertrieben dramatisch zu werden. Die zurückhaltende Sprache („Ich habe viele Gesichter, doch bin ich immer ich selbst.“) hebt sich in meinen Augen wohltuend von sonst recht plakativ wirkenden Duftkampagnen ab. Das gefällt mir, weil es nicht die üblichen Klischees von Weiblichkeit oder Luxus hochhält, sondern eher eine Einladung zur Selbstdefinition ausspricht – das empfinde ich gerade für eine jüngere, diversere Zielgruppe durchaus als reizvoll.

Die verschiedenen Settings – mal urban, mal Natur, dann wieder abstrakt – finde ich formal und inhaltlich spannend, weil sie Vielfalt transportieren, ohne dabei beliebig zu werden. Besonders erwähnenswert ist meiner Einschätzung nach die Szene mit dem schwebenden Dreieck: Solche surrealen Elemente sorgen dafür, dass der Spot definitiv im Gedächtnis bleibt und sich von der Masse abhebt. Das Dreieck als wiederkehrendes PRADA-Symbol ist clever integriert und sorgt für eine konsequente Markenbindung. Es ist subtil, aber trotzdem eindeutig und markant.

Bei der Darstellung der Personen, etwa mit den Piercings und auffälligem Make-Up, habe ich den Eindruck, dass PRADA hier tatsächlich eine diverse und eher moderne Zielgruppe anspricht, ohne aufgesetzt zu wirken. Die Darsteller:innen vermitteln Authentizität, die nicht künstlich inszeniert scheint. Gerade im Bereich Beauty und Parfum ist das, wie ich meine, alles andere als selbstverständlich.

Hervorheben möchte ich auch, wie PRADA in der offiziellen Beschreibung treffend zusammenfasst: „Emma Watson breaks the mould of the muse to be both in front of and behind the lens, writing her own script and narrating her own story of being a living paradox.“ Ich finde, dass das in der Gesamtanmutung des Spots tatsächlich greifbar wird. Die Einladung, sich nicht festlegen zu lassen oder sich widersprüchliche Seiten zuzustehen, trifft meiner Meinung nach einen Nerv unserer Zeit – und besitzt mehr Substanz als viele andere „Empowerment“-Claims.

Aus kreativer Sicht macht der Spot für mich fast alles richtig: Starkes Storytelling, visuelle Originalität, ungewöhnliche Kameraeinstellungen und stimmige Farbwelten – all das widerspricht angenehm den gängigen Erwartungen an klassische Parfümwerbung. Die Werbebotschaft bleibt dabei klar: Der Duft steht für einen individuellen, wandelbaren Stil und bricht gewohnte Muster auf. Das Prinzip des nachfüllbaren Flakons finde ich persönlich einen wichtigen Aspekt, auch wenn es in den Bildern eher als Nebensatz mitschwingt.

Insgesamt denke ich, dass PRADA mit diesem Spot einen Beitrag zu einer anspruchsvolleren, zeitgemäßeren Werbekultur leistet, insbesondere was Vielfalt, Nachhaltigkeit und ästhetische Eigenständigkeit betrifft. Die mutigen Bilder, die poetische Sprache und die konsequente Markenführung ergeben für mich ein stimmiges Gesamtbild, das sich wohltuend von austauschbaren Luxuswerbeclips abhebt.

Ich bin gespannt, wie ihr das seht – ich freue mich sehr über eine sachliche und respektvolle Diskussion der Eindrücke und Perspektiven zu diesem Spot!

Autor: Ralf Zmölnig