Genau in diesem Licht bewerte ich, wie About You diesen Spot 2023 inszeniert hatte.

In Bezug auf die Zielgruppenansprache erscheint mir der Spot äußerst zugespitzt und bemüht, Breite zu erzielen. Die visuelle Inszenierung, bestehend aus einer modernen Wohnungseinrichtung mit Bücherregal und Essbereich sowie einem sympathisch wirkenden Model, adressierte meines Erachtens klar ein jüngeres, urbanes Publikum mit digitalem Mindset. Die Hand mit Ring und Smartphone als Hauptakteur unterstrich für mich den digitalen Fokus der Marke – das schien konsequent, aber zugleich etwas phantasielos umgesetzt. Wer sich vor dem Fernseher von neuen Ideen erhofft hatte, wurde meines Erachtens zwangsläufig enttäuscht.

Was die Werbebotschaft betrifft, stellte ich fest, dass der Spot den Fokus eindeutig auf den Kaufanreiz und Service legte: Sparangebote, Lieblingsmarken, kostenloser Versand und Rückversand. Das Botschafts-Setting konzentrierte sich meiner Ansicht nach stark darauf, mit möglichst wenig Ablenkungen den Impuls „jetzt bestellen“ zu setzen. Ich denke allerdings, dass 2023 – mitten im Boom der Individualisierung – eine solche, von Rabatten und Service-Konditionen dominierte Ansprache schon fast als generisch und wenig inspirierend gewirkt hatte. Für Konsumenten, die modische Kompetenz, Beratungskompetenz oder gar Visionen suchten, blieb diese Tonalität meiner Meinung nach zu beliebig.

Die Kreativität und Originalität dieses Spots habe ich persönlich als äußerst zurückhaltend empfunden. Die Darstellung der App auf dem Smartphone, das zufällige Arrangement aus Mantel, Jeans und Oberteil, gepaart mit der plakativen Darstellung „Nur solange der Vorrat reicht“, erinnerte mich eher an einen geordneten E-Commerce-Standard als an einen mutigen, innovativen Markenimpuls. Ich bin der Meinung, dass der Spot in keiner Weise das kreative Potenzial der Marke ausspielte, sondern sich ganz bewusst auf vertraute Mechanismen beschränkte. Gerade im Kontext dessen, was About You in den Jahren davor an unerwarteten Kampagnen online gewagt hatte, erschien diese Umsetzung mir fast schon überraschend konventionell.

Die visuelle Umsetzung überzeugte mich auf rein funktionaler Ebene: Klare, sachliche Bildsprache, Fokus auf das Produkt als digitale Darstellung und im realen Raum. Die Integration der Markenfarben und die Einbindung des großen „ABOUT YOU“-Karton im Raum wirkten stimmig zur Visual Identity. Was ich aber sehr vermisste, war eine emotionale oder gar künstlerische Nuance: Alles drehte sich sehr um pragmatische Produktinszenierung, sehr auf „Information“ reduziert und wenig über Erzählung, Atmosphäre oder Überraschungseffekte gelöst. Für mich war das in der Modebranche – speziell aus Sicht des Jahres 2025, in dem Kreativität und Überraschung wieder einen gestiegenen Wert genießt – deutlich zu wenig.

Von der Konsistenz der Markenbotschaft her gesehen, ließ sich allerdings argumentieren, dass About You seinem zentralen Markenversprechen treu blieb: Mode für alle, unkompliziert, digital bestens erreichbar, günstige Konditionen. Ich finde, das zeichnete das Bild einer rationalen, nahezu service-getriebenen Plattform, die sich weniger auf künstlerische Inszenierung als auf die Funktion des Shops verlagerte. Dennoch vermisste ich die Individualität, das gewisse Augenzwinkern und den nonkonformistischen Charakter, mit dem About You ursprünglich gestartet war.

Zusammenfassend denke ich, der Spot von September 2023 spiegelte eine Phase wider, in der Sicherheit, breite Alltagstauglichkeit und Rationalität im Vordergrund standen, vermutlich auch um angesichts des marktumspannenden Wettbewerbs keine Risiken einzugehen. Ich bin allerdings der Ansicht, dass About You damals Chancen verschenkt hatte, mit kreativeren, überraschenderen Elementen und einer anregenden Narration gerade auch diejenigen zu begeistern, die von der Marke Innovation und ein gewisses Understatement erwarteten. Bei aller handwerklichen Sauberkeit hätte ich mir wünschen können, dass der Spot mehr Mut zum Außergewöhnlichen mitgebracht hätte – speziell, um aus der Werbeflut dieser Zeit hervorzustechen.

Autor: Ralf Zmölnig