Ich bin der Meinung, dass die Zielgruppenansprache damals klar an eine junge bis junggebliebene, modebewusste Käuferschaft gerichtet war, die bereits digital-affin war und sich ohnehin stark mit Identifikationsfiguren aus Social Media und TV verbunden fühlte. Gerade im 2020er Jahr, als die Digitalisierung des Handels pandemiebedingt nochmals beschleunigt wurde, bildete der Fokus auf Online-Exklusivität (mit dem immer wieder visuellen Hinweis „exklusiv auf aboutyou.de“) ein zentrales kommunikatives Versprechen, das ich für gut durchdacht halte.

Was die Werbebotschaft betrifft, empfand ich die kreative Umsetzung als klassisch, geradezu elegant in der Bildsprache, jedoch eher zurückhaltend in der dramatischen Zuspitzung. Das Script kreiste gestalterisch durchgehend um Modeinszenierung, inspiriert von architektonischer Klarheit: Reduzierte Weißtöne, klare Linien und dezente Farbkontraste dominierten. Zwar fand ich diese visuelle Reduktion durchaus stilvoll und zeitgemäß, allerdings hätte ich inhaltlich durchaus stärkere narrative Elemente oder überraschende konzeptionelle Wendungen erwartet – insbesondere im Kontext dessen, was About You als Challenger im Fashion-eCommerce-Markt stets forciert hatte. Die Konzentration auf die Exklusivität und auf die Produktästhetik war konsistent, doch hätte der Spot in meinen Augen von einem unerwarteten, aufmerksamkeitsstärkeren Kniff profitiert.

Bezüglich Kreativität und Originalität bin ich der Ansicht, dass About You mit dem Spot vor allem eine sichere, markenaffine und visuell kohärente Linie verfolgte, allerdings auf Experimente bewusst verzichtete. Man spielte die Popularität von Lena Gercke souverän aus und setzte auf bekannte Stilmittel der Branche: Close-Ups der Produkte, Interior-setting in hellen Räumen, geerdetes Farbkonzept. Gerade für eine Marke, die zu diesem Zeitpunkt schon mit innovativen Social- und Event-Kampagnen gearbeitet hatte, war der TV-Spot meiner Meinung nach eher ein Rückgriff auf bewährte Mechaniken und nicht der Ausdruck wagemutiger Kreativität.

Über die visuelle Gestaltung denke ich, dass sie hervorragend mit der Positionierung von About You und LeGer harmoniert hatte: Minimalismus, Fokus auf Produkt und Look, kaum Ablenkung durch aufwendige Effekte. Die Bildsprache spiegelte den Understatement-Anspruch der Kollektion wider, was sicher stimmig war, wenn auch in der TV-Landschaft des ausgehenden Jahres 2020 wenig riskant.

Mir ist im Rückblick positiv aufgefallen, dass die Konsistenz zur Markenbotschaft von About You insgesamt gewahrt blieb: Persönliche, direkte Ansprache, digitaler Convenience-Gedanke durch die offensichtliche Integration der Shop-Experience (Smartphone-Sequenzen), Verknüpfung von Lifestyle und Personality-Branding. Was ich jedoch kritisch sah, war, dass insbesondere im Vergleich zu den teils mutiger inszenierten Kampagnen von Wettbewerbern wie Zalando und Asos, der Spot wenig polarisierte, sondern auf bewährte Muster setzte.

Potenzielle Schwachstellen offenbarte die Entscheidung, weitgehend auf ungewöhnliche dramaturgische oder kommunikative Stilmittel zu verzichten. Als Zuschauer mit Affinität zu überraschenden, cleveren Wendungen und origineller Kreativität empfand ich diese konservative Umsetzung trotz der prominenten Besetzung als wenig nachhaltig beeindruckend. Der TV-Spot wurde handwerklich präzise ausgeführt, hinterließ aber aus meiner Sicht keinen bleibenden Eindruck durch Unerwartetes. Ich bin überzeugt, dass eine stärkere experimentelle Komponente dem Format noch mehr Eigenständigkeit und emotionale Strahlkraft verliehen hätte.

Zusammengefasst meine ich, dass About You mit dem Spot die nötige Professionalität und Markenkohärenz unter Beweis gestellt hatte, dabei aber aus kreativer Sicht Potential an den Rändern liegen ließ – besonders, wenn man meine persönlichen Präferenzen für herausfordende, anregende Ansätze betrachtet. Im Rückblick illustriert der Spot sehr gut, wie About You 2020 den Spagat zwischen sicherer Mainstream-Ansprache und Promi-Bonus wählte, es aber versäumte, dabei wirklich zu überraschen.

Autor: Ralf Zmölnig