Ich finde, der Spot wagt sich damit an ein neues Narrativ: Afrika als Zukunftsort, als Quelle von Innovationskraft und kultureller Selbstverständlichkeit. Das bleibt bei vielen Airlines bislang ein blinder Fleck – hier wird mit einer fast schon süffisanten Leichtigkeit gezeigt, dass Fortschritt, individuelle Ausdrucksstärke und Traditionsbewusstsein keinesfalls Gegensätze sind.

Die Szene mit dem Mann im blauen Anzug und Strohhut auf dem sandigen Weg mag auf den ersten Blick illustrativ wirken. Für mich erinnert sie an Modefotografie, die globale Trends geschickt mit lokalen Codes verknüpft. Solche subtilen Codes halte ich für absolut notwendig, wenn Marken nicht in oberflächlichen „Diversity-Sprüngen“ hängenbleiben wollen. Hier scheint mir das gelungen zu sein.

Wenn ich das geteilte Bild mit den drei individuellen Outfits sehe, habe ich den Eindruck, dass hier Diversität nicht nur behauptet, sondern bewusst ausgestaltet wird – auch die Nachtsequenz mit der Teleskopbeobachtung in urbanem Licht hebt sich in meiner Wahrnehmung wohltuend von reinen Postkartenmotiven ab. Das spricht eher urbane, kosmopolitische Zielgruppen an, die sich weniger mit dem klassischen „Urlaub in Afrika“-Narrativ identifizieren.

Ich bin der Meinung, gerade der Wechsel aus nahbaren Alltagsszenen und strategisch eingesetztem Symbolismus – wie etwa in der Zusammenkunft vor dem Flugzeug – funktioniert als kreative Brücke zwischen Anspruch und Authentizität. Es ist ein kalkulierter Balanceakt zwischen Pathos und Understatement, der mir persönlich zusagt.

Die Werbebotschaft – dass die Welt, und vor allem Afrika, bereit steht, entdeckt zu werden, ohne Grenzen zu setzen – wird für mich visuell und dramaturgisch sauber eingefangen. Aus fachlicher Sicht finde ich die Integration der Hashtags #DREAMAFRICA und #MEETMOROCCO in der finalen Einstellung durchaus klug; man bietet nicht nur Inspiration, sondern verankert auch eine digitale Anschlusskommunikation.

Was allerdings auffällt, ist der Hang zur fast schon poetischen Überhöhung im Text. Die Zeilen zu Passion, Vermächtnis und endlosen Möglichkeiten klingen zwar toll, hinterlassen bei mir aber einen leichten Beigeschmack von Werbeduktus. Meiner Ansicht nach wäre ein Hauch mehr Understatement mutiger gewesen – immerhin lebt die Marke Royal Air Maroc ja von realer Verbindung und nicht von metaphysischer Schwärmerei.

Das Spot-Design insgesamt setzt auf visuelle Originalität und Einfallsreichtum. Den Verzicht auf lineare Erzählstrukturen empfinde ich als erfrischend – allerdings gehe ich davon aus, dass das anspruchsvolle Zielgruppen wie meine Wenigkeit besonders erfreut, während „klassisch Erwartende“ vielleicht etwas mit offenen Fragen zurückbleiben.

Wenn ich also ein Resümee ziehe: Mich überzeugt die kreative, progressive Bildsprache und die subtile, glaubhafte Adressierung einer neuen, urbanen Reisekultur von Afrika. Doch der große, allumfassende Pathos bleibt für mich ein zweischneidiges Schwert. Ich sehe aber genau darin einen Auftakt für (fachliche) Diskussionen: Inwiefern muss Airlinemarketing heute kulturelle Stereotype bewusst brechen, um zeitgemäß relevant zu bleiben? Und wie viel Poesie verträgt ein Markenversprechen, ohne an Glaubwürdigkeit zu verlieren?

Ich bin gespannt – wie siehst du die Mischung aus Bilderflut, Pathos und Markenführung in diesem Spot? Diskutiere gerne mit – was bleibt bei dir hängen, was irritiert dich, was würdest du anders machen?

Autor: Ralf Zmölnig